Nachlese Stadtbücherei Kirn

Wie viel darf man von seinen Lesern fordern und ihnen zumuten?
Am 14.05. habe ich in der Stadtbücherei in Kirn die erste Lesung aus meinem „Handbuch zur Rettung der Welt“ gehalten, passend zur aktuellen Umwelt- und Klimadebatte.
Die ersten 10 Minuten nutzte ich für eine Beschreibung des Istzustandes unseres Planeten und lieferte einige Hintergründe zur (Fehl-) Entwicklung des Menschen bis in unsere Zeit hinein.
Die Reaktion des Publikums übertraf nicht nur mit seiner Betroffenheit meine Erwartungen, sondern auch mit dessen offenbarer Kenntnis über die vorherrschenden Missstände. Es war gespenstisch ruhig im Raum, bevor ich mit den unterhaltenden 50 Minuten meiner Lesung begann.
Auf der Heimfahrt stellte ich meinem Team die Frage, ob es zum Wohle der allgemeinen Stimmung während der Lesung und nicht zuletzt der Umsätze wegen besser wäre, die unangenehmen Fakten zu unterschlagen und gleich mit dem unterhaltenden Teil der Lesung zu beginnen. Die Antwort erhielt ich überraschend schnell und einstimmig.
Dann wäre ich ebenso verlogen wie die Politik und die Wirtschaft.
Also werde ich meinem Publikum künftig weiterhin unangenehme Wahrheiten zumuten, es fordern und dessen Aufmerksamkeit mit einem spannenden und unterhaltenden 2. Teil belohnen. Anderenfalls hätte ich Mila, Josh und allen anderen Protagonisten im „Handbuch zur Rettung der Welt“ gegenüber auch ein schlechtes Gewissen. Wozu ihr Leid, Leben und Sterben in einer Geschichte erzählen und dann verschweigen, wer für den Zustand der Welt in der sie täglich ums Überleben kämpfen müssen verantwortlich ist. Wir können es in den nächsten Jahren noch verhindern oder wenigstens abmildern, damit Milas Welt nicht Wirklichkeit wird.
Ich habe die globale Katastrophe im „Handbuch zur Rettung der Welt“ auf 2030 datiert, dann wäre ich etwas älter als Josh zu der Zeit. 11 Jahre also nur noch und das deckt sich auch mit der Einschätzung der Wissenschaft. Gelingt es uns bis dahin nicht, den Klimawandel zu stoppen, werden wir Milas Welt kennenlernen. Und gegen das, was uns dann erwartet, sind 10 Minuten Lesung über ein unbequemes Thema rein gar nichts.